Ein Kinderheim im Sperrgebiet
Die innerdeutsche Grenze – nahezu unüberwindbar
Die innerdeutsche Grenze prägte das Leben vieler Menschen in der DDR. Mit der Einrichtung eines fünf Kilometer breiten Sperrgebiets am 26. Mai 1952 und dem Mauerbau ab dem 13. August 1961 wurde sie für die meisten nahezu unüberwindbar. Das DDR-Sperrgebiet bezeichnete stark gesicherte und für die Öffentlichkeit unzugängliche Zonen. Besonders bekannt war das Grenzsperrgebiet entlang der innerdeutschen Grenze, das mit Zäunen, Wachtürmen, Minenfeldern und Selbstschussanlagen gesichert war. Dennoch wagten bis 1989 Tausende die Flucht – darunter auch Kinder und Jugendliche aus Heimen und Jugendwerkhöfen.
Die Lage der Veste Heldburg im Grenzraum
Das Kinderheim auf der Veste Heldburg befand sich im Landkreis Hildburghausen, im Bezirk Suhl, innerhalb des Heldburger Landes. Nach den Grenzziehungen von 1945 erstreckte sich das Gebiet wie eine Halbinsel zunächst in die amerikanische Besatzungszone und ab 1949 in Richtung Franken (Bayern). Der sogenannte „Heldburger Zipfel“, einschließlich seiner Ortschaften, lag während der deutsch-deutschen Teilung nur rund fünf Kilometer von der Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik entfernt und galt damit ab dem 27. Mai 1952 als DDR-Grenzsperrgebiet.
Gefahren und Einschränkungen für Heimkinder im Sperrgebiet
Der Versuch eines Heimkindes, das Kinderheim zu verlassen, konnte als Flucht über die DDR-Grenze und damit als Staatsverbrechen gewertet werden – mit entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen. Es gab Versuche der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises Hildburghausen, das Kinderheim aus dem Sperrgebiet zu verlegen, doch diesem Ansinnen wurde nicht stattgegeben.
Die Heimunterbringung auf der Heldburg brachte für die dort lebenden Kinder zahlreiche Einschränkungen mit sich. Der Zugang zum Sperrgebiet war streng geregelt, sodass Eltern, die außerhalb der Sperrzone wohnten, vermutlich seltener zu Besuch kommen konnten. Auch die Freizeitgestaltung war stark begrenzt – Aktivitäten wie Nachtwanderungen oder ähnliche Unternehmungen, die in anderen Heimen möglich waren, fanden hier nicht statt.
Fluchten aus dem Kinderheim
Dokumentierte Fluchtversuche aus DDR-Erziehungseinrichtungen
Hinweise auf Fluchten von Kindern und Jugendlichen aus DDR-Erziehungseinrichtungen finden sich in den Berichten der Deutschen Grenzpolizei (bis 1961) sowie der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee (NVA). Diese Aufzeichnungen sind heute im Bundesarchiv Freiburg, Abteilung Militärarchiv, archiviert. Auch aus dem Kinderheim Veste Heldburg sind mehrere Fluchtversuche sowie erfolgreiche Fluchten dokumentiert. Aus verschiedenen Quellen konnten bislang acht Kinder und Jugendliche identifiziert werden, die entweder versuchten, die innerdeutsche Grenze zu überqueren oder ihre Fluchtabsichten äußerten.
Ein Beispiel aus den späten 1950er Jahren
Ein Vorfall aus den späten 1950er Jahren zeigt die Konsequenzen einer bekannt gewordenen Fluchtabsicht: Zwei Mädchen aus dem Kinderheim Veste Heldburg sprachen über ihre Pläne, in den Westen zu fliehen. Eine von ihnen, 12 oder 13 Jahre alt, wurde offenbar von ihrer Freundin zur Flucht überredet. Doch anstatt die Grenze zu überqueren, floh sie nach ihrer „Entweichung“ aus dem Heim zu ihrer Tante nach Suhl. Dort wurde sie vom Referat Jugendhilfe/Heimerziehung des Kreises Hildburghausen aufgespürt und zurück nach Heldburg gebracht.
Reaktion der Behörden
In der Folge wurden sämtliche Besuchsgenehmigungen abgelehnt; das Mädchen durfte im Heim keinen Besuch mehr empfangen. Dieses Beispiel verdeutlicht die strengen Maßnahmen, mit denen Fluchtversuche aus Heimen geahndet wurden.
Literaturhinweis: Anke Geier – „Unsicherheitsfaktor im Sperrgebiet“. Heimkinder auf der Flucht über die innerdeutsche Grenze, in: Gerbergasse 18. Ausgabe 2 (2022).