Blick in einen der ehemaligen Mädchenschlafräume im Französischen Bau der Heldburg.
DENKOrte in Thüringen
Diese Webseite ist ein Webportal des Thüringer Archives für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" und die digitale Darstellung des Projektes DENKOrte in Thüringen.
„Vor Ort zum DENKOrt – Thüringer Orte der Repression, Opposition und Zivilcourage in der DDR“ ist ein Bildungs- und Forschungsprojekt, das das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" in Kooperation mit der Thüringer Staatskanzlei und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Dikatur durchführt. An ausgewählten Orten in Thüringen, die sichtbar als DENKOrte markiert werden, informieren wir gemeinsam mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, Fachkundigen und lokalen Entscheidungsträgern über repressives, widerständiges und zivilcouragiertes Handeln während der Zeit der DDR.
Auf dieser Webseite finden Sie, je nach Quellenlage und Forschungsstand, vertiefende Informationen zu den einzelnen DENKOrten:
- Informationen zum historischen Ort;
- Karten, Grundrisse, Zeichnungen;
- Historische und aktuelle Fotografien vom Ort und seiner Umgebung;
- Berichte von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen;
- Selbstzeugnisse von Betroffenen (Gedichte, Zeichnungen);
- aufbereitete historische Dokumente;
- Ton-, Filmdokumente;
- Aktuelles, Pressemitteilungen.
Das Projekt DENKOrte_digital ist ein »Work in progress«. Die einzelnen DENKOrte werden nach und nach eingepflegt und die Inhalte der Webseite fortdauernd aktualisiert und erweitert.
Peter Mühlfriedel- > Gestaltung, analog DO-Flyer!
Thüringer Orte mit einer besonderen Geschichte
Das Projekt "DENKOrte in Thüringen" rückt insbesondere Orte im ländlichen Raum und kleinstädtischen Bereich in den Fokus. Orte, die aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden bzw. in Vergessenheit geraten sind oder die gar nicht erst wahrgenommen wurden. Hier sollen Orte der Erinnerung und des Lernens entstehen.
Die ausgewählten Orte decken jeweils verschiedene historische Themenfelder ab.
Kinder- und Sonderschulheim Veste Heldburg, Heldburg
Auf der Veste Heldburg wurde ab 1954 ein Heim für bis zu 130 Kinder betrieben. Mitte der 1960er Jahre wurde die Heldburg als Sonderschulheim mit integrierter Hilfsschule weitergeführt. Nach einem Brand wurde das Heim, dass sich im Grenzsperrgebiet befand, im April 1982 geschlossen. Themen: DDR-Heimerziehung, Grenzsperrgebiet
Zentrales Durchgangsheim, Schmiedefeld bei Neuhaus
In Schmiedefeld bei Neuhaus befand sich zwischen 1974 und 1987 das zentrale Durchgangsheim des ehemaligen DDR-Bezirkes Suhl. In dem gefängnisähnlichen Heim erlebten viele Kinder und Jugendliche zum Teil monatelange Abgeschlossenheit und Ungewissheit über die eigene Zukunft. Themen: Freiheitsentzug, Umerziehung
Christliche Friedensgruppe "Gewaltlos leben", Langenschade
Die christliche Friedensgruppe "Gewaltlos leben" steht in unserem Projekt für den Bereich Friedensbewegung. Pfarrer Joachim "Jo" Winter gründete 1984 die bis heute kontinuierlich arbeitende Gruppe, die gegen den Militarismus in der DDR eintrat und sich für einen Sozialen Friedensdienst engagierte. Themen: Friedensbewegung, Antimilitarisierung
Evangelisches Rüstzeitheim, Braunsdorf (Saalfeld)
Mit dem Rüstzeitheim in Braunsdorf verbanden viele Jugendliche in den 1970er und 1980er Jahren die Hoffnung, Freiräume jenseits staatlicher Strukturen nutzen zu können. Hier bot der von Pfarrer Walter Schilling praktizierte Ansatz der „Offenen Arbeit“ eine Möglichkeit. Themen: Jugendsubkultur, Randgruppen und Schutzraum Evangelische Kirche
Geschlossene Venerologische Station, Gera
Im Thüringischen Gera entstand 1948 eine geschlossene Station für „unzuverlässige venerisch Erkrankte". Diese war ab 1949 Teil der Städtischen Hautklinik Gera mit Fachambulanz am Standort Loreystraße 6. Nach einer vorübergehenden Schließung im Jahr 1961 wurde die Einrichtung einer geschlossenen Station erneut beschlossen und eröffnete im April 1962 an der Hautklinik des Bezirkskrankenhauses Gera mit 11 Betten. Die Schließung wird auf das Jahr 1974 datiert. In geschlossene Venerologische Station konnten Mädchen und Frauen in der DDR ab dem 12. Lebensjahr zwangseingewiesen werden, wenn sie eine Geschlechtskrankheit hatten oder der Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit bestand. Themen: Freiheitsentzug, Umerziehung, politisierte Medizin
Jugendhaus Hohenleuben, Hohenleuben
Die heutige Justizvollzugsanstalt wurde 1897 als Gefängnis gegründet. Von 1954 bis zur Umwandlung zur JVA dienten die Gebäude als Frauenjugendgefängnis, Jugendhaus, Arbeitserziehungskommando und Jugendstrafanstalt. Die Arbeitspflicht der Gefangenen wurde im Zweifelsfall bei Normuntererfüllung oder Arbeitsverweigerung mit scharfen Sanktionen, Arreststrafen bis hin zu körperlicher Gewalt durchgesetzt. Themen: Freiheitsentzug, Zwangsarbeit
Evangelisches Einkehrhaus Bischofrod, Bischofrod
Das Evangelische Einkehrhaus, Bischofrod war eine kirchliche Bildungsstätte, die aus den 1982 begonnenen Kursen zu Natur-und Umweltthemen hervorging. In den vergangenen Jahrzehnten wurde das einstige Pfarrhaus zu einem "Zentrum für ökologische und sozial verantwortliche Lebensformen". Arbeitsschwerpunkte waren Seminare und Projekte zu Themen wie Frieden und Gerechtigkeit. Themenfeld: Umweltbewegung, alternative Lebensweise
Markieren - Sichern - Erinnern und Informieren
MARKIEREN Die ausgewählten Orte werden mit einer sichtbaren Markierung versehen, um deren Bedeutung ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die äußere Form und die Gestaltung der Markierung sowie die textlichen und bildlichen Inhalte besprechen und erarbeiten wir gemeinsam mit Fachleuten und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Über einen QR-Code, mit dem jede der DENKOrte-Markierungen versehen ist, gelingt eine rasche Weiterleitung vom DENKOrt vor Ort zur DENKOrte-Webseite.
Einweihung der Tafel am DENKOrt Veste Heldburg, 4. August 2021
V. l. n. r. Tina Beer (Staatssekretärin für Kultur in der Thüringer Staatskanzlei), Stefanie Falkenberg (ThürAZ), Birgit Eisenacher (Zeitzeugin), Manfred May (Bildender Künstler und Berater ehemaliger Heimkinder)
QUELLEN ERSCHLIEßEN UND SICHERN Eine tragende Rolle im Projekt kommt der Forschung zu. Zu jedem projektrelevanten Thema konnten sachkundige Expert:innen als Projektpartner:innen gewonnen werden. Umfangreiche Archivrecherchen und die damit verbundene Auswertung von Primärquellen rücken Themen in den Fokus, die in der Forschung bisher unterrepräsentiert sind. Es werden neue Quellen erschlossen, aber auch kostbare "Dachbodenfunde" gesichert. Im ThürAZ werden die Materialien aufbereitet und für Forschungs- und Bildungszwecke zugänglich gemacht.
Weiter begleiten wir Betroffene auf ihrem Weg der individuellen Aufarbeitung des Erlebten und unterstützen bei Rehabilitierungsgesuchen im Rahmen der sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze, etwa bei ihrer Suche nach persönlichen Haft- oder Heimunterlagen.
Akteneinsicht in Unterlagen des der DDR-Heimerziehung/ Referat Jugendhilfe im Kreisarchiv Schmalkalden-Meiningen, November 2021
"Dachbodenfund". Die vollständige Sammlung der Gruppe Gewaltlos leben, die Jahrzehnte auf dem Dachboden des Pfarrhauses in Langenschade gelagert war, wurde gesichert und dem ThürAZ als Schenkung übergeben.
ERINNERN, INFORMIEREN, NETZWERKEN Das Projekt lebt von seinen aufgebauten Bildungspartnerschaften. Um die DENKOrte nachhaltig zu entwickeln und zu etablieren, arbeiten wir intensiv mit vielen ehrenamtlich agierenden Initiativen vor Ort, mit Akteur:innen aus der historisch-politischen Bildung und allen voran mit unseren Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die auch für Bildungsprojekte angefragt werden können. Gemeinsam konnte so in den letzten Jahren ein überregionales Netzwerk ausgebaut werden.